Befestigung der Schalenfibeln an Schürzen aus Haithabu

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Kadlin

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Hallo Gemeinde, da ich momentan den Bericht 29 der Ausgrabungen in Haithabu (Textilfunde aus der Siedlung und aus den Gräbern von Haithabu) durcharbeite, habe ich quasi tagtäglich neue Aha-Erlebnisse! Einige davon möchte ich Euch nicht vorenthalten, eben weil sie so ganz anders sind als das, was man so gemeinhin auf Märkten sieht, bzw. was man sich mit seinem Menschenverstand so zusammengereimt hat ... 8o Zum einen konnte festgestellt werden, das es wohl eine Art von Grab- tracht gab, die von der alltäglichen Tracht abweichen konnte. So hat man z.B. in zwei Gräbern voneinander unabhängig Belege dafür gefunden, das die Nadeln der Schalenfibeln sowohl durch die Trage- schlaufen als auch durch das Untergewand gestochen wurden. Da das Untergewand dadurch (Breite des Nadeldurchmessers!) zerstört wurde, und an anderen Fragmenten aus der Siedlung solche Zer- störungen unwahrscheinlich und nicht feststellbar waren, geht man davon aus, das dies eine Art war, die Fibeln für die Grablegung fest zu fixieren, damit die Tote beim Aufbahren "ordentlich" gewandet war. Es wurden nur in 1% der Gräber überhaupt Stoffunde gemacht und zwar nur aufgrund der Tatsache, das sie sich an Metallgegenständen durch Oxidation erhalten haben. Schalenfibeln wurden in 14 Gräbern gefunden, es gibt aber auch Funde von endeutig weiblichen Bestattungen OHNE Schalenfibeln, was ich bisher nicht wusste, bzw. worum ich mir bisher keine Gedanken ge- macht hatte! Auch habe ich einen Materialtypus gefunden, der mich mit Sicherheit noch eine längere Zeit beschäftigen wird! Und zwar Eichenbast. Da ich bisher keine Ahnung von der Existenz dieses Werksstoffes hatte, fas- ziniert mich die Möglichkeit, was im FrühMi mit diese, Material gefertigt wurde. Es muß also zumindest so reissfest gewesen sein, das damit Taue und Netze geflochten wurden. Also ein Gewerk, das zumindest mir überhaupt nicht mehr geläufig war. 8o Die Träger der Schürzen sind nahezu ausnahmslos aus genähten, feinen Trägern (meist unter 1 cm) gefertigt, nicht aus Brettchenborte oder geflochtenen Riemen. Ahnte ich schon, habe es nun aber schwarz auf weiss ... Dann das El Dorado für alle Stoff-Fanaten! Es gab Seide, es gab Diamantköper, es gab karierte und gestreifte Stoffe. Was mir auffällt ist die relative Anhäufung von rot eingefärbten Stoffen. Schätzungsweise um die 70 Prozent der gefundenen und als gefärbt erkannten Stoffreste haben eine rote oder rötlich-braune Ein- färbung. In wie weit das jetzt durch die Oxidation verfälscht wurde, kann ich nicht beurteilen, aber lt. Buch geht man hier von der ursprün- glichen Farbgebung aus. So viel in Kürze zu meinen persönlichen Highlights. Wer noch mehr Infos möchte, den kann ich innerhalb der nächsten Tage mit immer mehr neuen A-Has beglücken .... ;) Eine begeisterte Kadlin
 
Original von Kadlin Einige davon möchte ich Euch nicht vorenthalten, eben weil sie so ganz anders sind als das, was man so gemeinhin auf Märkten sieht, bzw. was man sich mit seinem Menschenverstand so zusammengereimt hat ... 8o
Tjo... mein Reden! :D
Original von Kadlin Es wurden nur in 1% der Gräber überhaupt Stoffunde gemacht und zwar nur aufgrund der Tatsache, das sie sich an Metallgegenständen durch Oxidation erhalten haben. Schalenfibeln wurden in 14 Gräbern gefunden, es gibt aber auch Funde von endeutig weiblichen Bestattungen OHNE Schalenfibeln, was ich bisher nicht wusste, bzw. worum ich mir bisher keine Gedanken ge- macht hatte!
Entgegen der landläufigen Meinung gibt es nicht nur eine Tracht, wie man sehr schnell feststellt, wenn man sich mal die Funde anguckt (auch sehr reiche Frauengräber ohne Schürze siehe Oseberg, Birka... nicht dass du denkst, die hätten sich keine Schalenfibeln leisten können). Überhaupt bergen die Bücher sehr sehr viele Überraschungen jenseits des Markteinerleis... die Gefahr: du könntest zu der Erkenntnis kommen, dass nur sehr sehr wenig von dem, was du auf den Märkten siehst, irgendwas mit Wikinger zu tun hat. 8o ;) :D
 
Hallo zusammen, danke für diese sehr schönen Informationen Kadlin. Hast du während Deiner Recherchen irgendetwas gefunden wie man die Träger fest gemacht haben könnte wenn es eben KEINE FIBELN gab. Es muß ja auch Frauen gegeben haben, die nicht so reich waren sich Schalenfibeln oder wie zu meiner Darstellung passend Tierkopffiebeln haben leisten können. Waren die dann angenäht? Die Schürzen zieht man ja eh über den Kopf an, also wäre das eine Möglichkeit gewesen, nur gibt es dazu Nachweise die Du kennst? Ich habe bisher nichts dazu gefunden.
 
Hallo, Gordi! Lös dich zuerst einmal von dem Gedanken, dass eine Schürze zwingend zur Tracht einer "Wikingerfrau" gehört. Wie Kadlin schon schreibt:
Original von Kadlin Schalenfibeln wurden in 14 Gräbern gefunden, es gibt aber auch Funde von endeutig weiblichen Bestattungen OHNE Schalenfibeln, was ich bisher nicht wusste, bzw. worum ich mir bisher keine Gedanken ge- macht hatte!
In der Tat lassen die Zahlen* der Gräber ohne Schalenfibeln den Schluss zu, dass die Mehrheit wohl keinen Trägerrock getragen hat. In Haithabu sind Schalenfibeln sogar relativ selten. In Birka gibt es (im Verhältnis der Gräber) mehr, aber auch dort haben wir reiche Frauengräber ohne Schalenfiblen (z.B. das sehr luxuriös ausgestattete Grab 854) (*Zahlen habe ich nicht im Kopf, könnte ich aber bei Gelegenheit nachliefern) Dass es eine andere Tracht ist, erkennt man z.B. an Funde aus Thumby-Bienebeck (nicht weit von Haithabu entfernt). Dort gibt es reiche Frauengräber. Die Frauen tragen eine runde Fibel auf der Brust (Terslevfibel), mit der das Übergewand verschlossen war. es gibt dort keine einzige Schalenfibel im Fundgut! Wenn du dir das Foto von mir in der Galerie anguckst: das ist meine akuelle Interpretationeiner Tracht ohne Schalenfibeln: http://www.mittelalterforum.com/jgs_galerie_bild.php?bildid=122&sid= Da ich keine reiche Frau darstelle, komplett ohne Fibeln! Lediglich das Umschlagtuch verschliesse ich mal mit einer einfachen Fibel. Stattdesen könnte man aber auch eine Nadel nehmen (z.B. aus Knochen).
 
Du hast also ein langärmeliges Gewand über dem Untergewand. zur Zeit handhabe ich das auch ähnlich. Ich trage ein kurzärmeliges Leinen Trägerkleid über dem Leinen Untergewand, mit Rundhalsausschnitt. (muß unbedingt mal Bilder machen, anscheinend habe ich kaum welche von mir in Gewandung... mal so feststell.) Für kalte Tage das Gleiche aus einem Wollstoff. den muß ich mir aber neuschneidern, weil zu eng geworden.... Ist wohl eingelaufen ;-))) Frage ist nur mit Keilen oder ohne.... Oder mache ich mir dann doch eine 3 teilige Schürze mit jeweils 2 1 cm Trägern wie in einem anderen Tread beschrieben... bin hin und hergerissen. Darüber eine Wolltunika für kaltnasse Tage und meine Fellweste. (Lach net, ist sicher nicht nachweisbar A, aber P und Warm Kopftuch sowieso immer. Leinen für heiß, Wolle für kaltnasse Tage. Leichteres Umschlagtuch wenn notwendig, halt auch zum draufsitzen und früher als Krabbeldecke für den Sohn. Schuhe... das ist noch mein größtes Problem. Holzpantinen wenn nass und barfuß wenn warm. Für ganz steinige Märkte (schäm) Bundschuhe Wie gesagt eine Universalklamotte. Paßt immer fällt nicht negativ auf nur meinen Ansprüchen an A soweit vorhanden genügt das nicht mehr so. Ich soll/will sich ja auch weiterentwickeln
 
Original von Gordi Du hast also ein langärmeliges Gewand über dem Untergewand.
Das ist ganz einfach das Zwiebelprinzip: je nach Wetterlage/Temperatur zieht man eben eine Schicht mehr oder weniger an. Alle 3 Kleider sind übrigens aus Wolle. Das unterste (walnussgefärbte) ist ein ganz hauchdünnes, ideal bei Hitze (dann mit einem Leinenhemd drunter). Ausser dem Hemd habe ich nichts aus Leinen, ich bevorzuge Wolle, da ich ungern morgens in feuchtkalte Leinenkleider schlüpfe. Die praktische Erfahrung hat mich sehr schnell von Leinen abgebracht.
Ich trage ein kurzärmeliges Leinen Trägerkleid über dem Leinen Untergewand, mit Rundhalsausschnitt.
Für kurzärmelige Übergewänder kenne ich bei "Wikingers" keinen Nachweis. Wie kommst du zu dieser Interpretation?
Darüber eine Wolltunika für kaltnasse Tage und meine Fellweste. (Lach net, ist sicher nicht nachweisbar A, aber P und Warm
Siehe oben: Zwiebelprinzip, dann braucht man auch keine neuzeitlichen Fantasielösungen. Ist eigentlich ganz einfach: funktioniert deine Klamotte nicht, dann hast du da was falsch interpretiert und musst dich nochmal mit den Funden beschäftigen. Immerhin haben die im Mittelalter auch funktioniert. ;) :D
Schuhe... das ist noch mein größtes Problem. Holzpantinen wenn nass und barfuß wenn warm. Für ganz steinige Märkte (schäm) Bundschuhe
Tja, dann musst du wohl einmal in richtige Wendeschuhe investieren, dann noch nadelgebundne Socken und es gibt keine kalten Füsse mehr. ;) Ich habe jedenfalls noch nie Holzschuhe benötigt. Generell kann man immer wieder beobachten, dass sich viele zu wenig und zu dünn anziehen. Offensichtlich denken sie bei Märkte nur an Sonnenschein und hochsommerliche Temperaturen. :D
 
Mir fällt hier eines wieder auf.
Original von Gordi Oder mache ich mir dann doch eine 3 teilige Schürze mit jeweils 2 1 cm Trägern wie in einem anderen Tread beschrieben... bin hin und hergerissen.
Warum willst du dir einen 3-teiligen Trägerrock machen? Das ist doch die Interpretation von Hallveig. Woher willst du wissen, ob das richtig ist? Kannst du erklären, wie man zu diesem Modell kommt? Nein, du kopierst nur. Selber lesen, selber interpretieren! Ideen, Gedanken, Lösungen, Fragen kannst du in den Foren diskutieren. Bei anderen abkupfern ist kein Reenactment! Duch die ganze Kopiererei sind doch all die Szenelegenden in Umlauf gesetzt worden, solcher Blödsinn wie Steckstühle, 2 Bahnen-Flatterschürzen, "Rus"-Hosen, Visbylaternen etc. Übrigens haben wir schon mal überlegt, einfach was total Falsches in den Blog zu setzen und dann zu sehen, wie rasend schnell sich das verbreitet. :whistling: :D
 
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Du hast vollkommen recht, ich habe nur viel zu wenig Zeit um nach Gotland zu fahren und die Museen abzugrasen um mir einen A Schnitt zu erarbeiten, bzw meistens ist das auch schon wieder eine Interpretation der Restauratoren also genauso abgekupfert.... Vielleicht bin ich dann hier im Forum auch einfach falsch.....
 
Original von Gordi Vielleicht bin ich dann hier im Forum auch einfach falsch.....
Nein, das würde ich nicht sagen. Du suchst hier doch Hilfestellung, wie du es nun richtig angehen kannst. Der erste Schritt wäre, sich eine Darstellung zu suchen, die dich nicht überfordert. Wo auch was Ordentliches bei herauskommt. Du hast in deinem Vorstellungthread geschrieben, du willst eine einfache Frau darstellen... in einfacher Gewandung. Da gibt es doch auch andere Möglichkeiten. Warum unbedingt Gotland, wenn du jetzt schon weisst, dass du das (mangels Zeit) nie ordentlich hinkriegen wirst?
 
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Original von Beate Übrigens haben wir schon mal überlegt, einfach was total Falsches in den Blog zu setzen und dann zu sehen, wie rasend schnell sich das verbreitet. :whistling: :D
Was meinst du wie viele schon mal "Säbel" mit Mamushka übersetzt haben? :whistling: Du musst nicht nach Gotland fahren, ne ordentliche Bib oder Fernleihe wirken meist auch Wunder :D
 
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Stimmt eigentlich, warum Gotland... eine normale Wikingerin tut es auch
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Ich lese grad eine neuere Dissertation über die Grabfunde in Haithabu, und da werden die Schalenfibeln im einzelnen genau besprochen.
Original von Kadlin Schalenfibeln wurden in 14 Gräbern gefunden, es gibt aber auch Funde von endeutig weiblichen Bestattungen OHNE Schalenfibeln, was ich bisher nicht wusste, bzw. worum ich mir bisher keine Gedanken ge- macht hatte!
Es sind 32 Exemplare aus 17 Gräbern und die lassen sich (bis auf eine einzige Ausnahme) allesamt auf das 9.Jhd. datieren! Im 10.Jhd. ist sind Trägerrock und Schalenfibeln also "out". Es wird nur noch eine Fibel wie in Thumby-Bienebek getragen:
Original von Beate Dass es eine andere Tracht ist, erkennt man z.B. an Funde aus Thumby-Bienebeck (nicht weit von Haithabu entfernt). Dort gibt es reiche Frauengräber. Die Frauen tragen eine runde Fibel auf der Brust (Terslevfibel), mit der das Übergewand verschlossen war. es gibt dort keine einzige Schalenfibel im Fundgut!
Die Frauengräber aus Thumby-Bienebck datieren auf 10. Jhd.
 
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Es gibt da einen Aspeckt den man nicht so ganz vergessen sollte: was wäre wenn nur die Fiblen nicht mehr mit ins Grab gegeben wurden..sei es aus finanziellen Gründen oder weil man sie als Andenken behalten wollt oder als Familienschmuck..ich weiss ist nicht belegbar aber doch denkbar..oder die Fibeln waren nicht mehr notwendig weil sich die Mode geändert hat..
 
Dazu steht einiges in dem Text. Auch ist das nicht der einzige Hinweis auf eine Änderung der Mode, nur ein Beleg mehr.
 
Original von Beate Mir fällt hier eines wieder auf.
Original von Gordi Oder mache ich mir dann doch eine 3 teilige Schürze mit jeweils 2 1 cm Trägern wie in einem anderen Tread beschrieben... bin hin und hergerissen.
Warum willst du dir einen 3-teiligen Trägerrock machen? Das ist doch die Interpretation von Hallveig. Woher willst du wissen, ob das richtig ist? Kannst du erklären, wie man zu diesem Modell kommt?
@Gordi: wie weit ist das Projekt "Trägerrock" bei Dir gediehen? Über meinen "Dreiteiler" können wir gerne diskutieren, falls Bedarf besteht. Aber in meinem Blog ist der Denk-Weg aus den kommentaren heraus eigentlich schon ersichtlich. Und hier: Trägerrock im FMA-Portal ist es auch recht deutlich geschildert :) Also: ich bin gespannt, falls Du schon ein Ergebnis hast ^^ LG Hallveig
 

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